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Samstag, 10. Februar 2001

 

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Bayern Seite 11 / Deutschland Seite 11 / München Seite 11

Wie eine einzigartige Zeitung gegen gängige Klischees anschreibt

Mehr als Kopftuch und Döner

Die Probleme des kleinen deutsch-türkischen Wochenblattes „Perşembe“, das ein Gegengewicht zur traditionellen türkischen Presse sein möchte

Von Ralf Husemann

Die Adresse versprüht nicht eben Optimismus: Kreuzberg, Charlottenstraße – eine Sackgasse, die jetzt wenigstens nur noch an einem Blumenmarkt endet. Früher stand unweit die Mauer, vor der, gleich in der Nähe, Springer bewusst provokativ sein Verlagshaus hingeklotzt hatte. Mutig nennt sich eine Firma „Vision“. Nebenan macht gerade ein „Stuhlcenter“ dicht. Und hinter einer breiten Glasfront scheint soeben ein Laden ausgeräumt zu werden. In Hemdsärmeln sitzt ein rundlicher, lebhafter Mittvierziger an einem anscheinend noch übrig gebliebenen Schreibtisch: Mal telefoniert er, dann rennt er wieder in den Nachbarraum, wo eine Gruppe junger Leute unter viel Zigarettenqualm miteinander heftig diskutiert. Hier sind wir richtig.

In der Leere, die nur von ein paar Computertischen unterbrochen wird, sitzt die Redaktion von Perşembe, der einzigen „Deutsch-Türkischen Wochenzeitung“ der Republik. Perşembe ist das türkische Wort für Donnerstag. Das kann man auch schräg gegenüber an der Tür des breit ausladenden Arbeitsamtes lesen – bei den Öffnungszeiten. Schließlich ist in Kreuzberg jeder Dritte ein Ausländer, und von denen kommen die allermeisten aus der Türkei. Der freundliche Besitzer der Immobilie hat der Zeitung unlängst großzügig sehr viel größere Räume überlassen – zum selben Mietpreis, wie Alper Öktem, der hier beständig hin- und herflitzende Herausgeber verrät. Seitdem verliert sich das kleine Team auf 120 Quadratmetern, für die kein Geld da ist, sie vernünftig einzurichten.

Gepriesenes Heimatland

Doch Perşembe hat einen hohen Anspruch. Die Zeitung ist angetreten, Vorurteile abzubauen und Tabus aufzubrechen. Vor allem letzteres. Da werden immer wieder heiße Eisen angepackt – im bewussten Gegensatz zu den großen türkischen Tageszeitungen, in denen selten ein kritisches Wort über das meist chauvinistisch gepriesene Heimatland steht: In Perşembe liest man über den latenten Antisemitismus in der offiziell israel-freundlichen Türkei, über die blutig niedergeschlagene Gefängnisrevolte, die Kurden-Frage oder den in den türkischen Medien geleugneten Massenmord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs.

Gerade in den letzten Wochen könnte der unvorbereitete Leser der knallbunten türkischen Blätter meinen, es bestünde ein Krieg der Türkei mit Frankreich bevor. „Wieder eine französische Unverschämtheit“, donnert Sabah (Morgen) auf der Titelseite, während Hürriyet (Freiheit) unter einem abschreckenden Konterfei von Jacques Chirac dem französischen Präsidenten balkendick vorwirft, er habe die Freundschaft der beiden Nationen zerstört. Der Grund für die hysterische Empörung ist ein französisches Gesetz, das den historisch ausreichend belegten Genozid an den Armeniern als Völkermord einstuft. In der Türkei wird dagegen allenfalls von einem „so genannten Massaker“ gesprochen, an dem im wesentlichen die Armenier selbst schuld gewesen seien.

Die türkischen Zeitungen werden fast ausschließlich in der Türkei geschrieben und produziert – auch die so genannten Europa-Ausgaben, die hierzulande verkauft werden und sich nur in wenigen Seiten vom Originalprodukt unterscheiden. Hürriyet, das bekannteste Blatt, hat Anfang letzten Jahres seine letzten Redakteure in Deutschland entlassen und lässt die Artikel nur noch von Agentur-Journalisten aus dem eigenen Pressekonzern und vor allem von freien Mitarbeitern schreiben.

Auch für Perşembe ist das Wort „Redaktion“ etwas hoch gegriffen. Sie besteht aus einer Handvoll Leuten, von denen nur Claudia Dantschke fest angestellt ist. Die 37-Jährige hat sich in Berlin (zusammen mit Ali Yildirim) einen gewissen Namen mit Aypa-TV gemacht, dem laut Guinness-Buch kleinsten Fernsehsender der Welt. Ende Februar könnte der Sender („Prinzipien: Toleranz, Laizismus, Objektivität“), der eine Stunde täglich im Berliner Kabelnetz auf dem „Spreekanal“ zu sehen war, sein achtjähriges Jubiläum feiern. Könnte – denn erst einmal ist Aypa das Geld ausgegangen. Und so herrscht vorläufig dort Funkstille. Eine Gelegenheit für die quirlige gebürtige Leipzigerin Dantschke, ein neues Wirkungsfeld zu finden. Die studierte Arabistin, zu DDR-Zeiten Fremdsprachen-Redakteurin bei ADN, hat sich auf die neue Zeit eingestellt und inzwischen auch noch ihren „Marketing-Fachwirt“ gemacht.

Wenn Claudia Dantschke redet, müssen die anderen den Moment gut abpassen, auch zu Worte zu kommen. Doch das scheint sich inzwischen eingespielt zu haben. Die anderen, das ist die 34-jährige gebürtige Kurdin Semiran Kaya, eine freie Journalistin aus Köln, die sonst vor allem für den WDR arbeitet, der 26-jährige Berliner („besser Schöneberger“) aserbaidschanischer Abkunft Süleyman Artiis¸ik, der dabei ist, seine Diplomarbeit über Einwanderungspolitik in Deutschland zu schreiben, und schließlich die 24-jährige Politik- und Soziologiestudentin Onur Kömürcü. Später wird noch Mutlu Ergün dazustoßen, ein 22-Jähriger, der in Potsdam Erziehungswissenschaften studiert und eine Hip-Hop-Band („Die schwarze Hand“) hat. Gesprochen wird fast ausschließlich deutsch.

Perşembe ist nicht nur wegen der bunten ethnischen Herkunft ihrer Macher eine Zeitung der besonderen Art. Erst im September auf den Markt gekommen, kämpft sie bereits ums Überleben. Ohnehin kann sie nur existieren, weil sie quasi huckepack an jedem Donnerstag (deshalb der Name) der tageszeitung (taz) beigelegt wird. Nun geht es aber schon dem Mutterblatt nicht gerade rosig, weshalb in immer neuen Aktionen ausgerechnet der treue Abonnent stellvertretend für die taz-verschmähende Restbevölkerung immer mal wieder originell bestraft wird: mit fehlenden Überschriften, einer Klatsch- oder auch einer Pin-up-Ausgabe („Titten-taz“).

Mit Perşembe – und nicht zuletzt ihrer wirklich witzigen Comicfigur „Kanakmän“ – hoffte die taz zumindest einen Teil der türkischen Gemeinde (2,3 Millionen in Deutschland, davon allein etwa 200 000 in Berlin) ansprechen und so die Gesamtauflage etwas puschen zu können. Doch das Ergebnis ist bislang enttäuschend. Nur etwa 1000 zusätzliche Leser werden der deutsch-türkischen Beilage zugerechnet. Immerhin hat die jüngste Auflagen-Stemmaktion der taz ein Plus von fast 7000 Abos gebracht (auf jetzt knapp 49 000, mit Einzelverkauf etwa 60 000). Doch gleichzeitig geht Perşembe die Luft aus. Seit dem 21.  Dezember erscheint das Blättchen statt mit acht nur mehr mit vier Seiten. Nachdem sowohl Anzeigen wie Abonnenten weitgehend ausblieben, die auch nur für zehn Mark im Monat allein die Donnerstags-taz haben wollten (vorerst nicht mehr als 100), klagte die Redaktion in einem Leitartikel in eigener Sache: Der „so oft formulierte Wunsch nach einem Medium, das nicht heimatorientiert, sondern deutschlandbezogen ist, scheint nicht ernst gemeint zu sein“.

15 Ausgaben vorher klang alles noch ganz anders. Unter einem frechen Aufmacher-Foto, auf dem eine junge Türkin dem Leser die Zunge herausstreckt, heißt es keck zur Premiere „Wir können auch anders“. Und (auf Deutsch und Türkisch): „Wir haben es satt, die Opferrolle für euch zu spielen. Ihr verlangt von uns ,Integration‘, ,Eingliederung‘. Niemand fragt, ob uns der Körper gefällt, in welchen wir uns integrieren sollen. Wir wollen den Körper verändern. “ Nicht nur die Tonart hat sich gewaltig verändert. Auch der Ansprechpartner. Die unklare Adresse – mal ist der deutsche, dann wieder der türkische Leser gemeint – ist ein Grundproblem der kleinen Zeitung.

„Wir sind ein Gegengewicht zur traditionellen türkischen Presse. Wir bieten Einblicke in eine Welt, die mehr ist als Kopftuch und Döner. “ Das sagt etwas vollmundig Perşembe. Immerhin könnte die Zeitung dank der Vertriebskooperation mit der taz theoretisch so viele Leser erreichen wie die großen türkischen Zeitungen. Vor allem nach der Rechnung des Herausgebers Alper Öktem, der davon ausgeht, dass auf ein Exemplar fünf bis sieben türkische Leser kommen.

Öktem, eigentlich Radiologe, ist 1978 nach Deutschland gekommen. Mit Rücksicht auf seine Frau Angelika Claußen, der deutschen Vorsitzenden der „Ärzte für den Frieden und für soziale Verantwortung“, früher „gegen den Atomkrieg“ (IPPNW), und seine beiden, 16 und 19 Jahre alten Kinder, ist Öktem vor drei Jahren aus einer Gemeinschaftspraxis ausgestiegen und seitdem „Hausmann“. Theoretisch, denn jede Woche pendelt er von Bielefeld zu den Redaktionssitzungen für zwei Tage nach Berlin. Ihren Kindern hat das Paar im übrigen die völkerverbindenden Namen Rosa Baris¸ und Kerem Gabriel gegeben.

Ein bisschen verunsichert

Die übermächtige Konkurrenz scheint inzwischen ob der ungewohnten Perşembe-Töne ein bisschen verunsichert zu sein. Öktem ist darüber gleichermaßen empört wie stolz. In einem Leserbrief an Hürriyet (Gesamtauflage 800 000, in Deutschland 54 000), der in Stil und Inhalt „verblüffende Ähnlichkeit mit den täglichen Ergüssen des Chefkolumnisten“ (Öktem) habe, wurde behauptet die grüne Heinrich-Böll-Stiftung sei Ziehvater und Finanzier von Perşembe. Und die kleine Wochenzeitung Aydinlik (Klarheit), die es fertig bringt, zugleich maoistisch und nationalistisch zu sein, setzte noch eins drauf und schrieb, das deutsche Außenministerium sponsere Perşembe mit jährlich fünf Millionen Mark. Alper Öktem ist tatsächlich Mitglied bei den Grünen, legt aber Wert darauf, sich trotz der arg ins Straucheln gekommenen Zeitung keinesfalls finanziell abhängig machen zu wollen. Warum tut er sich das Ganze überhaupt an? „Ich bin verrückt“, sagt er und sieht einen Moment ganz glücklich aus.


Bildunterschrift:

Allein gegen (fast) alle: Ob Kanakmän letzten Endes siegreich bleibt, ist zumindest zweifelhaft. Alper Öktem und seine kleine Perşembe-Redaktion wollen beweisen, dass eine türkische Zeitung ganz anders sein kann.

Fotos: Marco Limberg/X-press/Bonn-sequenz/ SZ

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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